Geplante Tabaksteuererhöhung: Industrieinteressen werden den Gesundheitsinteressen übergeordnet
Laut den Plänen des Bundesfinanzministeriums soll erstmals seit sechs Jahren wieder die Tabaksteuer erhöht werden. So soll die Steuer in fünf Jahresschritten um jeweils fünf Cent steigen, also insgesamt um 25 Cent für eine 20er-Packung Zigaretten. Beim Drehtabak soll die Steuer um 15 Cent pro Jahr steigen, demnach insgesamt 75 Cent. Ähnliche Pläne gibt es für Zigarren und Zigarillos. Der wohl weitreichendste Schritt ist eine deutliche Steuererhöhung für Tabakerhitzer und E-Zigaretten. Erstere würden ihr bisheriges Steuerprivileg verlieren und letztere überhaupt zum ersten Mal unter die Tabaksteuer fallen. Zumindest dieser Schritt ist sehr begrüßenswert, denn auch Tabakerhitzer und E-Zigaretten sind nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft gesundheitsschädlich und in hohem Maße suchterzeugend. Jenseits der Einbeziehung von E-Zigaretten und Tabakerhitzern sind die angekündigten Pläne jedoch kein Grund zur Freude, sondern lassen vielmehr die Vermutung zu, dass die Tabakindustrie hier wieder einmal ihre Finger im Spiel hatte.
Denn eine derart moderate, schrittweise Tabaksteuererhöhung dient am Ende vor allem den Interessen der Tabakkonzerne. Diese hoffen nämlich darauf, dass Raucher*innen den Preisanstieg kaum wahrnehmen und dementsprechend auch keine Motivation verspüren werden, mit dem Rauchen aufzuhören. Damit würde die gesundheitspolitische Lenkungswirkung der Tabaksteuer ins Leere laufen. Und das obwohl die Wissenschaft zeigt, dass deutliche Steuererhöhungen eine der effektivsten Maßnahmen sind, um die Rauchquoten zu senken. Das Deutsche Krebsforschungszentrum empfiehlt eine jährliche Tabaksteuererhöhung von mindestens 10 Prozent, im ersten Schritt also um ca. 60 Cent. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass gesundheitspolitische und fiskalische Ziele bei der Tabaksteuer in keinem Widerspruch zueinander stehen. Die Weltbank hat beispielsweise für Deutschland unter Berücksichtigung des entsprechenden Nachfragerückgangs und möglicher Auswirkungen auf den Tabakschwarzmarkt errechnet, dass eine Steuererhöhung um zehn Prozent immer noch zu einer Steigerung der staatlichen Einnahmen um 2,6 Prozent führen würde.
Ohnehin ist es ein weit verbreiteter Mythos, dass der deutsche Staat von der Tabakbesteuerung in irgendeiner Art und Weise profitieren würde. Allein in Deutschland verursacht der Tabakkonsum gesamtgesellschaftliche Kosten von rund 97 Milliarden Euro pro Jahr. Laut WHO-Direktor Rüdiger Krech müsste eine Schachtel Zigaretten ganze 23 Euro kosten, um diese Kosten auszugleichen. D.h. selbst bei einem derart hohen Tabakpreis (im Vergleich: derzeit kostet eine Schachtel zwischen sechs und sieben Euro) würde der deutsche Fiskus noch immer nicht vom Rauchen profitieren.
Wir fragen uns daher, wie es Olaf Scholz (SPD) und den Verantwortlichen im Bundesfinanzministerium offenbar derart egal sein kann, dass pro Jahr hierzulande 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens sterben – die enormen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Schäden im Zusammenhang mit der Produktion und dem Konsum von Tabak noch gar nicht berücksichtigt. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass Deutschland mittlerweile den letzten Platz auf der Europäischen Tabakkontrollskala belegt, muss der fortwährende Verzicht der Bundesregierung, die Tabaksteuer als gesundheitspolitisches Lenkungsinstrument einzusetzen, als ein weiterer Tiefpunkt der deutschen Tabakkontrolle bewertet werden. Es ergibt sich der Eindruck, dass die deutsche Bundesregierung wirtschaftliche Partikularinteressen über die legitimen Gesundheits- und Selbstbestimmungsinteressen der Bevölkerung stellt.
So fragen wir uns auch, ob die Pläne des Bundesfinanzministeriums unter Lobby-Einfluss der Tabakindustrie zu Stande gekommen sind. Der Index zur Einflussnahme der Tabakindustrie 2020 hat sehr deutlich gezeigt, dass die Tabakindustrie noch immer großen politischen Einfluss in Deutschland hat. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag geht außerdem hervor, dass sich Vertreter*innen des Bundesfinanzministeriums seit 2018 offiziell mindestens fünfmal mit Lobbyist*innen der Tabakindustrie zum Thema der Tabaksteuererhöhung getroffen haben. Inoffizielle Treffen und Telefonate sind hier noch gar nicht mitgezählt. Der Verdacht der politischen Einflussnahme der Tabakindustrie wiegt also schwer, zumal diese sich vor einem Jahr sogar öffentlich für genau jenes Tabaksteuererhöhungsmodell (moderat und schrittweise Erhöhungen) ausgesprochen hat, dass jetzt umgesetzt werden soll. Damit würde die Bundesregierung ihre völkerrechtlichen Pflichten im Rahmen des WHO-Tabakrahmenübereinkommens (FCTC) erneut verletzen. Laut Artikel 5.3 der FCTC sind gesundheitspolitische Maßnahmen konsequent und wirksam vor den kommerziellen Interessen der Tabakindustrie zu schützen.
Weitere Informationen:
Deutsches Krebsforschungszentrum (2021) – Moderate Tabaksteuererhöhung: Vertane Chance für die Gesundheitsprävention