Deutschland ist immer noch eines der Länder mit der höchsten Dichte an todbringenden Zigarettenautomaten und das, obwohl sie eigentlich illegal sind!
In keinem anderen EU-Land gibt es so viele Zigarettenautomaten wie in Deutschland. Bundesweit sind es rund 380.000 Automaten. Besonders viele sind in Süd- und Westdeutschland aufgestellt, wo die meisten Tabakwarengroßhändler ihren Unternehmenssitz haben. Zigarettenautomaten sind überall präsent und tragen damit zu einer gefährlichen Normalisierung des Rauchens bei. Kinder und Jugendliche lernen so schon früh, dass Zigaretten zum Stadtbild und zur Gesellschaft vermeintlich dazugehören. Die Umgehung der laschen Jugendschutzvorrichtungen ist für Jugendliche indes ein Kinderspiel und verhindert kaum, dass diese in eine oft lebenslange Nikotinabhängigkeit hineingezogen werden. In anderen Staaten sind Zigarettenautomaten (vor allem jene im Außenbereich) aus genau diesen Gründen längst explizit verboten – darunter Großbritannien, Frankreich, Polen, Slowenien, Island, Finnland, USA, Kanada, Israel, Singapur, Ungarn, Kroatien, die baltischen Staaten, Ukraine und viele mehr.
Politische Versäumnisse wie das Fehlen eines umfassenden Verbots von Zigarettenautomaten tragen maßgeblich zum international mit Sorge betrachteten ‚Schmuddelimage‘ Deutschlands im Bereich der Tabakpolitik bei. Kein Wunder also, dass Deutschland seit 2013 durchgehend den (vor)letzten Platz auf der Europäischen Tabakkontrollskala belegt. In keinem anderen Land der EU wird die Tabakindustrie und das Rauchen derart lax reguliert wie hierzulande.
Zigarettenautomaten im Außenbereich fallen unter das Werbeverbot und sind daher seit Anfang 2022 eigentlich verboten.
Auch wenn bisher ein explizites gesetzliches Verbot ohne Ausnahmen fehlt, sind Zigarettenautomaten in Deutschland seit Beginn des Jahres 2022 eigentlich bereits verboten. Der Grund ist das Inkrafttreten des Verbots für Tabakaußenwerbung.
Denn nach § 35 Abs.2 Nr. 9 Tabakerzeugnisgesetz handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 20a Satz 1 Außenwerbung für Tabakerzeugnisse betreibt. Eine Ausnahme gilt nur für die Außenflächen von Geschäftsräume des Fachhandels. Ein im Außenbereich befindlicher Automat gilt nicht als Geschäftsraum. Der §2 Nr. 5 und Nr. 9 TabakerzG stellt zudem klar, dass Werbung „jede Art kommerzieller Kommunikation mit dem Ziel oder mit der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Erzeugnisses zu fördern“ meint. Außenwerbung ist als „jede Werbung außerhalb geschlossener Räume einschließlich Schaufensterwerbung“ definiert. Allein die Benennung des Betreibers (sei es „tobaccoland“ oder „Tabakwaren Dietz“) sowie das Aufstellen eines Zigarettenautomats und das entsprechende Angebot von Tabakerzeugnissen im Außenbereich gelten als Formen der kommerziellen Kommunikation (Außenwerbung). Ziel und Zweck der Zigarettenautomaten sind schließlich die Förderung des Verkaufs von Tabakprodukten. Die Richtlinien zu Art. 13 WHO-Tabakrahmenübereinkommen (welches 2004 von Deutschland ratifiziert wurde) stellen unmissverständlich klar: „Zigarettenautomaten sollten verboten werden, da sie allein durch ihre Gegenwart ein Mittel zur Werbung oder Verkaufsförderung gemäß dem Wortlaut des Übereinkommens darstellen.“
In jedem Fall müssen Zigarettenautomaten, die Markenlogos ohne gesundheitsbezogene Warnhinweise auf ihren Auswahltasten zeigen, mit Schockbildern nachgerüstet oder ganz abgebaut werden. Denn für Auswahltasten, die mit Zigarettenschachteln assoziiert werden können, gelten die gleichen Bestimmungen wie für eine Zigarettenverpackung selbst. Das hat der Europäische Gerichtshof am 09.12.2021 entschieden. Das Urteil beruhte auf einem Prozess, der von unserem Vorstandsvorsitzenden Rainer Nickel initiiert und maßgeblich vorangetrieben wurde. Daher freuen wir uns über dieses positive Urteil in ganz besonderem Maße.
Es ist höchste Zeit, dass die Behörden das Tabakwerbeverbot konsequent durchsetzen und Aufstellerunternehmen (tobaccoland, Tabakwaren Dietz, Hall Tabakwaren, Ostermeier, etc.) zum Abbau ihrer aus unserer Sicht illegalen Zigarettenautomaten auffordern. Die Politik muss hier mithilfe einer expliziten Gesetzesformulierung Rechtssicherheit schaffen. Am einfachsten wäre hierfür eine Anpassung des § 10 Abs. 2 im Jugendschutzgesetz (Streichung mit Ausnahme des ersten Satzes). Ein solches Automatenverbot wäre nicht nur verfassungsgemäß, sondern auch ein wichtiger Schritt hin zu einem tabakfreien Deutschland 2040 – so wie es von über 50 zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Organisationen unter der Federführung des Deutschen Krebsforschungszentrums gefordert wird. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es eine Tabakkontrollstrategie der Regierung mit verbindlichem Zeitplan. Die neue Bundesregierung muss schnell und entschlossen handeln.
Zigaretten sind das einzige legale Produkt, das bei bestimmungsgemäßem Gebrauch die Hälfte aller Konsumierenden tötet.
Verstöße gegen das Außenwerbeverbot sind kein Bagatelldelikt. Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Jedes Jahr sterben allein hierzulande erschreckende 127.000 Menschen an den Folgen des Rauchens, was über 13 Prozent aller Todesfälle ausmacht und einem Todesfall alle vier Minuten entspricht. Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat zudem errechnet, dass pro Jahr über 14.300 Menschen durch Passivrauchen zu Tode kommen (darunter rund 3300 Nichtrauchende). Auch der volkswirtschaftliche Schaden ist verheerend: Pro Jahr kostet uns die Tabakepidemie rund 97 Mrd. Euro – ein Vielfaches der Einnahmen aus der Tabaksteuer.
Social-Media-Kampagne: #ZigarettenautomatenAbschaffen
Aus all den guten Gründen, die für den ausnahmslosen Abbau aller Zigarettenautomaten sprechen, rufen wir Euch dazu auf, bei der Kampagne #ZigarettenautomatenAbschaffen mitzumachen. Diese wurde von unserem engagierten Mitglied Dr. Joachim Kamp gemeinsam mit unseren Mitstreitern beim Forum Rauchfrei und ‚Sport für Rauchfrei‘ initiiert und funktioniert folgendermaßen:
>>Challenge<<
Weitere Informationen:
Tagesschau (09.12.2021): Europäischer Gerichtshof: Schockbilder Pflicht auf Zigarettenautomaten
DKFZ et al. (2021) – Strategie für ein tabakfreies Deutschland 2040