Schlusslicht in Deutschland

Die Hauptstadt versagt beim Nichtraucherschutz – insbesondere im Nachtleben!

Berlin gewährleistet bundesweit mit den schlechtesten Schutz für Nichtraucher*innen. Der Hauptgrund dafür ist das völlig defizitäre Berliner Nichtraucherschutzgesetz, das zahlreiche, mitunter völlig realitätsfremde und nicht zu kontrollierende Ausnahmeregelungen beinhaltet. Auch das Strafmaß für Verstöße ist viel zu niedrig angesetzt und führt so zu permanenten Gesetzesverstößen. Hinzu kommt, dass das bestehende Gesetz in weiten Teilen des öffentlichen Lebens nicht oder nur unvollständig durchgesetzt wird. Diese massiven Vollzugsprobleme, die bundesweit als absolutes Negativbeispiel gelten müssen, sind vor allem das Resultat untätiger Bezirksämter, die den Nichtraucherschutz entweder nicht durchsetzen wollen oder können, da ihnen die finanziellen und personellen Mittel fehlen.

Besonders problematisch ist der völlig unzureichende Nichtraucherschutz im Nachtleben. Rauchfreie Bars und Kneipen sind kaum zu finden und im Bereich der Clubs liegt eine systematische Missachtung des Nichtraucherschutzes vor. Breits 2012 wurde durch die von der TU Berlin durchgeführte, repräsentative Berliner Clubstudie gezeigt, dass von den untersuchten 100 Clubs nur acht rauchfrei waren, während 83 Prozent gegen das Berliner Nichtraucherschutzgesetz verstießen. Durch regelmäßige Kontakte in die Berliner Clubszene wissen wir, dass sich seitdem nichts zum Positiven gewendet hat.

Als Hauptstadt, Touristenziel und Partymetropole ist Berlin besonders symbolträchtig, was wirksamen Nichtraucherschutz angeht. Seit mittlerweile über 20 Jahren werden die Stimmen der Wissenschaft und Zivilgesellschaft von den Berliner Regierenden ignoriert und vernachlässigt. So gab es zahlreiche Bemühungen verschiedener Nichtraucherschutzorganisationen (allen voran die unserer Verbündeten des Forum Rauchfrei), durch Aktionen, Studien oder politisches Lobbying etwas zu bewegen. Doch weder die Clubstudie, noch die Volksinitiative „Frische Luft für Berlin“ oder andere medienwirksame Aktionen wie Kippen-Sammeln auf Kinderspielplätzen, Gespräche mit den politischen Akteuren oder direkte parteipolitische Einflussname konnten bisher an der untragbaren Situation etwas ändern. Selbst bei den Grünen sind – entgegen den gängigen Prinzipien der Partei – in nicht unerheblichem Ausmaß die Interessen rückständiger Clubpolitiker*innen präsent, die oft auf Grundlage bizarrer Freiheitsargumente die legitimen Gesundheits- und Gleichstellungsinteressen nichtrauchender Clubgäste in Abrede stellen. Berlin hat eine beeindruckende und schützenswerte Party- und Clubkultur. Clubkultur ist jedoch nur so viel wert, wie sie auch für Menschen zugänglich und erlebbar ist. Im Moment werden insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen von der Teilhabe an der Berliner Clubkultur ausgeschlossen.

Dass Nichtraucherschutz mit dem nötigen politischen Willen auch in Berlin durchgesetzt werden könnte, zeigte die Sicherstellung der Einhaltung der Corona-Maßnahmen. Beim Nichtraucherschutz jedoch scheint der rot-rot-grüne Senat bisher nicht gewillt für den „großen Wurf“. Der Mangel an Problembewusstsein, selbst in der Senatsverwaltung für Gesundheit (SPD), ist mitunter erschreckend.

Die seit 2018 angekündigte Novellierung des Nichtraucherschutzgesetzes soll lediglich Ausnahmen für Shisha-Bars streichen und Tabakerhitzer und E-Zigaretten explizit ins Gesetz aufnehmen. Das grundlegende Problem der zahlreichen Ausnahmen für die Gastronomie (Einraum- und Nebenraumregelung) sowie das massive Vollzugsdefizit wird damit praktisch nicht angegangen. Auch die geplante Erhöhung des Bußgeldes auf maximal 10.000 Euro wird nicht ausreichen, um eine konsequente Einhaltung der bestehenden Regelungen zu garantieren. Vielmehr müsste das maximale Strafmaß weiter erhöht werden und bei besonders schweren (d.h. systematischen) Verstößen der Entzug der Betriebserlaubnis möglich sein. Nur so können Nichtraucher*innen und körperlich eingeschränkte Menschen wirksam vor den Gefahren des Passivrauchens geschützt und gesellschaftliche Teilhabe garantiert werden.
Für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2021 fordern wir daher mit Nachdruck die bestehenden Probleme anzugehen, indem eine weitreichende Novellierung des Berliner Nichtraucherschutzgesetzes so bald wie möglich auf den Weg gebraucht wird. Dass der Nichtraucherschutz erneut expliziten Eingang in das Wahlprogramm der Berliner Grünen gefunden hat, deuten wir als positives Zeichen, das wir spätestens nach der Wahl nutzen werden, um das Thema konsequent einzufordern.

  • Schulen | RAUCHFREI

    Absolutes Rauchverbot ohne Ausnahmen im Innen- und Außenbereich.

  • Hochschulen (Innen) | NICHT RAUCHFREI

    Laut Gesetz absolutes Rauchverbot ohne Ausnahmen. Allerdings mangelhafte Durchsetzung, z.B. in der Universität der Künste Berlin.

  • Kindertagesstätten | RAUCHFREI

    Absolutes Rauchverbot ohne Ausnahmen im Innen- und Außenbereich.

  • Krankenhäuser & Pflege | NICHT RAUCHFREI

    Verschiedene gesetzliche Ausnahmen vom Rauchverbot. Der Außenbereich ist nicht vom gesetzlichen Rauchverbot erfasst.

  • Spielplätze | NICHT RAUCHFREI

    Nicht vom gesetzlichen Rauchverbot erfasst.

  • Parks | NICHT RAUCHFREI

    Nicht vom gesetzlichen Rauchverbot erfasst.

  • Behörden & Ämter | NICHT RAUCHFREI

    Verschiedene gesetzliche Ausnahmen vom Rauchverbot für besonders ausgewiesene Räume.

  • Innengastronomie | NICHT RAUCHFREI

    Gesetzliche Ausnahmen für vollständig abgetrennte Nebenräume und Kleingastronomie (weniger 75 m2). Massives Vollzugsproblem führt zur systematischen Missachtung des Gesetzes, insb. Bars betreffend.

  • Restaurantterrassen & Biergärten | NICHT RAUCHFREI

    Nicht vom gesetzlichen Rauchverbot erfasst.

  • Clubs & Diskotheken | NICHT RAUCHFREI

    Gesetzliche Ausnahmen für vollständig abgetrennte und deutlich gekennzeichnete Nebenräume ohne Tanzfläche. Massives Vollzugsproblem führt zur systematischen Missachtung des Gesetzes.

  • Kultureinrichtungen | NICHT RAUCHFREI

    Gesetzliche Ausnahmen bei künstlerischen Darbietungen der Darsteller*innen. Häufig genutzt, um Rauchverbot zu umgehen.

  • Sportstätten (Innen) | RAUCHFREI

    Absolutes Rauchverbot ohne Ausnahmen.

  • Sportstadien | NICHT RAUCHFREI

    Nicht vom gesetzlichen Rauchverbot erfasst.

  • Justizvollzugsanstalten | NICHT RAUCHFREI

    Verschiedene gesetzliche Ausnahmen vom Rauchverbot.